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Offener Brief: Kinder- und jugendpolitische Vorhaben jetzt nicht vergessen!

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Fraktionsvorsitzende der demokratischen Parteien im Bundestag, nach dem Ende der Koalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP möchten wir Sie dringend bitten, kinder- und jugendpolitische Gesetzesvorhaben noch zu realisieren.


Die junge Generation braucht ein Zeichen verlässlicher Kinder- und Jugendpolitik auch in Krisenzeiten!

Das Motto des aktuellen 17. Kinder- und Jugendberichtes zielt auf das „Aufwachsen mit Zuversicht und Vertrauen“. Zuversicht kann nicht verordnet und eingefordert werden. Sie setzt das Vertrauen in gesellschaftliche Institutionen voraus, die sich selbst als vertrauenswürdig erweisen müssen. Das Parlament hat jetzt die Möglichkeit, den Schutz vor sexualisierter Gewalt junger Menschen zu stärken und inklusive Teilhabechancen für alle jungen Menschen zu eröffnen. Sie können durch ihre Entscheidungen das Vertrauen in politische Entscheidungsprozesse stärken und dadurch Zuversicht vermitteln.

Mindestens zwei Gesetzesvorhaben, an denen intensiv gearbeitet wurde, sollten Sie gemeinsam umsetzen: das Gesetz zur Stärkung der Strukturen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt gegen Kinder (UBSKM-Gesetz) sowie das Kinder- und Jugendhilfeinklusionsgesetz (IKJHG). Die vorliegenden Gesetzesentwürfe wurden durch eine breite Basis überparteilicher sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen und Verbände beraten und unterstützt.

Das Gesetz zur Stärkung der Strukturen zum Schutz vor sexualisierter Gewalt (UBSKM-Gesetz) gegen Kinder greift lange gehegte Anliegen der Fachpraxis und vor allem auch der Betroffenen sexualisierter Gewalt auf. Insbesondere die Absicherung der Strukturen der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), die Stärkung des Betroffenenrates und der Aufarbeitungskommission sind zukunftsweisend. Von dieser Bundesstruktur werden wichtige Impulse für Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ausgehen. Dies gilt insbesondere für die Berichtspflicht gegenüber Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung – mit einem eigenständigen Berichtsteil des Betroffenenrats. Der Gesetzesentwurf ist durch das Kabinett beschlossen und auch zwischen den Fraktionen unstrittig. Sie können hier also sehr bald eine Entscheidung treffen.

Das Kinder- und Jugendhilfeinklusionsgesetz (IKJHG) sollte in der ersten Novemberwoche im Bundeskabinett beraten werden, nachdem zuvor in einem umfangreichen Dialogprozess ausgewogene Kompromissformulierungen erzielt werden konnten. Sie könnten nun gemeinsam dafür Sorge tragen, diesen sich bereits über mehrere Legislaturperioden ziehenden Prozess konstruktiv abzuschließen. So vermitteln Sie den vielen Beteiligten in unserer Gesellschaft, die sich aus zivilgesellschaftlichem Engagement für eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe eingesetzt und diesen Gesetzesentwurf mitentwickelt haben, dass sich ihr Einsatz von Zeit, Kompromissbereitschaft, Expertise gelohnt hat.

In einem breiten Beteiligungsprozess wurden u.a. Forschungsarbeiten und Stellungnahmen durch zahlreiche Akteure der Kinder- und Jugendhilfe, der Eingliederungshilfen, der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Gesundheitshilfe und nicht zuletzt von Selbstorganisationen diskutiert, um so eine Organisationsstruktur für die Zusammenführung von Hilfen zur Erziehung und Eingliederungshilfen im Interesse junger Menschen mit Behinderungen und der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention zu finden. Mit der Gesamtverantwortung der Kinder- und Jugendhilfe für alle jungen Menschen sollte der Verschiebebahnhof unterschiedlicher Leistungsträger für körper- und geistig-behinderte Kinder und ihre Familien stillgelegt werden. Junge Menschen aus der Kinder- und Jugendhilfe und aus der Behindertenhilfe haben sich selbstorganisiert und sich intensiv in den Prozess eingebracht.

Enttäuschen Sie diese engagierten Menschen jetzt nicht, nutzen Sie den Handlungsspielraum, der Ihnen auch in der aktuellen Lage zur Verfügung steht und gestalten Sie eine inklusive Kinder- und Jugendhilfe. Ein Ende des Prozesses an dieser Stelle würde für die jungen Menschen und viele andere zivilgesellschaftlich Engagierte die Erfahrung bedeuten, dass Beteiligung nicht wertgeschätzt wird, dass Beteiligung sich nicht lohnt. Das birgt die Gefahr des politikverdrossenen Rückzugs und stärkt letztendlich politisch extreme Ränder, denen Inklusion schon längst ein Dorn im Auge ist.

Schutz vor sexualisierter Gewalt und Inklusion sind Rechte, die nicht verhandelbar sind. Werden Sie bitte Ihrer Verantwortung für Kinder und Jugendliche, für starke Strukturen gegen sexualisierte Gewalt und für inklusive Teilhabechancen gerecht.

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